Ein Wort zuvor

Die Tonacs-Story ist – wie könnte es anders sein – aus dem Blickwinkel des Verfassers geschildert, der alle Ereignisse rund um die Band hautnah miterlebt hat, sich also als trommelndes Bandmitglied mit den anderen Beteiligten stets sozusagen im Brennpunkt des Geschehens befand. Gerade deswegen legt er Wert darauf, der ersten Pflicht eines Berichterstatters Folge zu leisten: nämlich die Erzählung möglichst nur anhand objektiver Sachverhalte zu gestalten. Wenn doch vereinzelt auf subjektive Eindrücke eingegangen wird, sollte dies aus dem Kontext ersichtlich sein. 

Leicht gemacht wurde mir der Entschluss, die Geschichte der Tonacs hier zu präsentieren vor allem dadurch, dass eine Vielzahl von Fotos aus diesen Jahren zusammengetragen werden konnte. Auch meine Plakatsammlung hat mehr als 50 Jahre auf diversen Dachböden überdauert (siehe nachstehenden Link). Ein weiterer Glücksfall ist, dass einige Tonbandaufnahmen von Auftritten und Übungsabenden aus jener Zeit erhalten geblieben sind. Sie wurden digitalisiert und werden hier in Ausschnitten zugänglich gemacht, Zwar ist die mangelhafte Tonqualität der damaligen Aufnahmetechnik (Tonband-Mikrofon, schlechte Aussteuerung) sowie dem Zahn der Zeit (Kopiereffekt bei Tonbandwicklungen) geschuldet und vermag so das Hörvergnügen zu trüben. Genießen lässt sich aber der akustische Eindruck, der beim Hören der Stücke in Life-Atmosphäre vermittelt wird, trotzdem. Vielleicht auch gerade deswegen, weil hier und da zutage tretende musikalische Mängel nicht ausgeblendet werden. 

Die Vorgeschichte  

Sie nannten sich Ty (Erhard Thiel , † 2021), lead guitar), Ingo (K. Ingo Wedemeyer, rhythm guitar), Rico (Recardo Manzke, ab 1966, bass guitar) und Ringo (Manfred Gravelius, drums ) und kamen aus Hamburg, Kiel, Munster und Rüsselsheim nach Frankfurt. Im April 1965 begann alles. Zuvor wollen wir aber einen Blick auf die musikalischen Entwicklungen im zeitlichen Umfeld werfen, die ja in gewisser Weise die Wurzeln verdeutlichen und den Rahmen darstellen, in dem sich diese Geschichte bewegt.

Ab 1962 / 1963 begann sich, von England herüber schwappend, ein neuer Sound auch in der damaligen Bundesrepublik mit immer schnellerer Geschwindigkeit zu verbreiten. Von den Erwachsenen, die den Rock’n’Roll-Schock aus den 1950ern (Bill Hailey, der frühe Elvis Presley, …) noch nicht verdaut hatten, abfällig als „Beatmusik“ tituliert, erfasste die neue Welle die Jugend mit aller Kraft. Neben US-amerikanischen Bands wie den Four Seasons oder Beach Boys waren immer öfter englische Gruppen im Radio zu hören (z.B. Brian Poole & The Tremeloes, Gerry & The Pacemakers) und verdrängten zunehmend die deutschen Schlager aus den Hitparaden. Viele Gruppen kamen aus Liverpool. Im Oktober 1962 erschien die erste Beatles Single ‚Love me do‘ und seit dem war der Siegeszug dieser Musikrichtung nicht mehr aufzuhalten. Beatbands wie die Searchers, Kinks, Yardbirds, später Small Faces, The Who u.v.a.m., vorneweg aber die Beatles und die Rolling Stones prägten den neuen Sound. Sie erzeugten bei einem Großteil der damaligen Jugend, zu dem auch der Verfasser (später drummer der Tonacs) zählte, ein völlig neues Lebensgefühl. Der Begriff „Beatlemania“ wurde geboren. Die heranwachsenden Jungen ließen sich die Haare länger wachsen (und wurden abfällig als Pilzköppe bezeichnet), die Mädels wagten es, Miniröcke zu tragen, orientierten sich modisch an den Carnaby-Street-Kollektionen aus dem „Swinging London“ -sehr zum Missfallen der Kittelschürzengeneration . Man schaute (ab 1965) Samstags nachmittags im Fernsehen den „Beat Club“, was Konflikte mit den sportschaufixierten Vätern heraufbeschwor und besuchte am Wochenende Konzerte von deutschen Beatgruppen, die sich im ganzen Land wie aus dem Nichts formierten.

So erging es ab ca. 1963 auch uns in unserem unserem Freundeskreis. Der Wunsch, diese Musik nicht nur zu konsumieren, sondern selbst auf der Bühne live zu produzieren, war für viele Fans kaum noch zu unterdrücken. Während die E-Gitarre oder der E-Bass als beliebteste Instrumente den Vorzug fanden, erkoren manche, darunter auch ich, das Schlagzeug zum verheißungsvollen Experimentierfeld. Nur die missliebige Tatsache, dass ich in eine andere Stadt ziehen musste, verhinderte mein musikalisches Debut schon in jenem Jahr. Mein damaliges Lebensgefühl kann ich noch heute nachvollziehen, z.B. wenn ich den Song „I should have known better“ von den Beatles höre.   

1964, Liederbach-Oberliederbach

Mein erstes Schlagzeug erstand ich 1964, gebraucht für 70 DM, was einen guten Teil meines damaligen Nettomonatsgehalts ausmachte, den ich seit April als Lehrling in den „Farbwerken“ (Hoechst AG) bekam.

Untergebracht im neu errichteten Wohnheim Oberliederbach, stand bald ein freier Raum zur Verfügung, der für Übungszwecke genutzt werden durfte – zur Freude einiger „Fans“, aber zum Leidwesen etlicher Nachbarn. 


1964, Liederbach-Oberliederbach

Schon bald fanden sich weitere Heimbewohner ein, die ein Instrument beherrschten (Gitarre, Banjo, Klarinette). Flugs war eine Heimband gegründet, die – quasi um sich warm zu spielen – sich vorerst auf Dixie konzentrierte. Die Band trat einige Male bei verschiedenen Anlässen auf, im Heim oder bei Veranstaltungen der Hoechst AG im Kasino der Jahrhunderthalle. Diese Phase währte bis 1965.

Die Gründung

Bereits nach einigen Monaten zeigten sich Differenzen bei der Auswahl der einzuübenden Stücke. Der unterschiedliche Musikgeschmack der Bandmitglieder führte meist zu faulen Kompromissen, die letztlich keinen der Akteure befriedigten und zunehmend eine spaßbremsende Wirkung zeitigten. (Vor allem mir als noch in den Anfängen steckender drummer erschien diese Ausrichtung zu eindimensional.)

Im April 1965 kam ein neuer Schwung von Auszubildenden im Oberliederbacher Wohnheim an. Glücklicherweise befanden sich darunter zwei Neue, die sowohl ihre Gitarre beherrschten (und dies nicht nur anfängerhaft), als auch gesanglich gut drauf waren und sich in den neuen Stilrichtungen der Popmusik heimisch fühlten. Rasch freundeten wir uns an, Konsequenterweise löste sich die Dixieband auf. Der Schlagzeuger und der Gitarrist Fritz P. von der alten Truppe bildeten zusammen mit den beiden Neuankömmlingen Ingo und Ty eine eine neue Formation. Sie bezeichneten sich ausdrücklich als „Beatband“ und gaben dieser nach einigen Wochen den Namen The  Tonacs„. (Meiner Erinnerung nach einigten wir uns auf diesen Namen, weil Ty zuvor in Hamburg schon in einer Gruppe spielte, die diesen Namen getragen hatte, aber nicht mehr existierte.)

Von nun an wurde regelmäßig jeden Donnerstag Abend geübt, das Repertoire vergrößerte sich stetig. Ein neues gebrauchtes Schlagzeug wurde erstanden und groß war die Freude, als nach einiger Zeit vom Heim ein Verstärker und zwei Boxen zur Verfügung gestellt wurden.

Bald zeichnete sich aber ab, dass es noch an etwas mangelte: ein Bassist mit E-Bass fehlte unbedingt! Doch auch der war unter den neuen Lehrlingen bald gefunden. Martin L. aus Rastatt wurde in die Band aufgenommen, dafür musste allerdings Fritz P. die Gruppe verlassen – von drei Gitarren war eine zu viel. Damit sollte die Besetzung der Band erst einmal feststehen.

Ein allererster Auftritt kam am 10. Juli 1965 zustande. In Gettenbach, einem Ortsteil der hessischen Gemeinde Gründau, spielten die Tonacs erstmalig öffentlich in der dortigen heilpädagogischen Wohneinrichtung für geistig und körperlich behinderte Menschen vor einem dankbaren Publikum. Die erste Gage betrug 40 D-Mark (!). (Später hat man das Benefizkonzert genannt.)

Doch einige weitere Auftritte sollten in diesem Gründungsjahr noch stattfinden. Interessant und lampenfiebrig waren Gigs (so nannte man Auftritte damals allerdings noch nicht) Im Haus Dornbusch in Frankfurt und in der Jahrhunderthalle Hoechst. Zwar waren da die Gagen schon etwas besser, allerdings nur graduell. Wichtiger als der schnöde Mammon war indes die Steigerung des Bekanntheitsgrads der Band im lokalen Umfeld. Die Konkurrenz war schließlich nicht mehr klein in diesen Zeiten.

Mit der Teilnahme an einem Beatwettbewerb im Bürgerhaus Ginnheim (Frankfurt), wo wir mit „Satisfaction“ von den Stones einen respektablen 4. Platz errangen, war ein erfreulicher Ausgang des Jahres 1965 zu verzeichnen. Die Erinnerung an diese Auftritte wird erneut greifbar, wenn ich Songs wie „I got you, Babe“ (Sonny & Cher) oder „Like a rolling stone“ (Bob Dylan) wieder höre.

Die Szene entwickelt sich weiter

Das Jahr 1966 schrieb für die Band neue Höhepunkte, aber auch weitere Veränderungen. Allerorten in Stadthallen, Bürgerhäusern und Saalbauten fanden – zumeist den Wochenenden – Beatveranstaltungen statt. Ob in der Stadt oder in den ländlichen Gegenden: die Jugend strömte in Scharen, Lifemusik war absolut in, „Beatkapellen“ waren gesucht. Diskotheken gab es noch nicht wirklich, höchstens vereinzelt in der Großstadt. Kneipen und Gaststätten ohne Musikbox waren eher die Ausnahme: junge Gäste wollten auch dort ihre Musik hören und gerne dazu tanzen. Die Bands überboten sich damit, die neusten Hits der großen Pop-Vorbilder in ihr Repertoire aufzunehmen. Das tanzfreudige Publikum war dankbar, mutierte zu treuen Fans und wusste fachkundig, musikalische Spreu vom Weizen zu trennen.

Die Tonacs schwammen voll auf dieser Welle. Seit einiger Zeit hatte sich im Bürgerhaus Frankfurt-Sindlingen (genannt der Bunker) der „Club 64“ etabliert, der als Veranstalter an den Wochenenden regelmäßig Bands auf die Bühne brachte. Dort konnten sich die Tonacs neben anderen regional bekannten Gruppen alsbald als eine Art Hausband etablieren und durften bei zahlreichen Auftritten ihre wachsende Schar von Fans beglücken. Bald spielte man nicht nur im Kreis der beliebten lokalen Gruppen, sondern dem Club gelang es auch, bereits international bekannte Bands auf seiner Bühne zu präsentieren. Zu einem späteren gemeinsamen Auftritt mit den „Pretty Things“ aus England ist mir noch in Erinnerung, dass sie für ihren Gig die Erlaubnis hatten, Teile unseres Equipments, darunter mein Schlagzeug, benutzen durften. (Die Gründe hierfür sind im Dunkel des Vergessens verschwunden …) Bekannt für ihre „harte“ Musik, legten sie also los. Vor allem der drummer drosch wild, sozusagen gnadenlos, auf meinem Schlagzeug herum (es war ja nicht seins). Dabei schmiss er auch die Becken um, was offensichtlich zur Show gehörte. Mir war angst und bange, denn es handelte sich nicht mehr um meine alte Schießbude, sondern um um das frisch erstandene, nigelnagelneue Ludwig-Schlagzeug! Heilfroh war ich. als die Sache ohne weitere Blessuren überstanden war!  

The Tonacs und The German Bonds

Nicht nur die Zahl der Auftritte steigerte sich allmählich, sondern auch der Wirkungsradius vergrößerte sich. Flexibel musste man als Amateurband damals sein: die Bandbreite reichte von locations wie „Der Goldene Anker“ in Hattersheim-Okriftel über das „Pik-Ass“ in Runkel a. d. Lahn bis zu den „Fischerstuben“ (!) in Frankfurt a.M., Kaiserstraße, im Rotlichtmilieu, wo wir ein Engagement für vier Wochenenden erhielten. Gerne und häufig spielten wir weiterhin im Club 64, aber zunehmend auch im Raum Gießen: immer wieder gern in Großen-Linden (Saalbau „Rebstock“), aber auch in Leihgestern und Langgöns, stets von treuen Fans begrüßt. Die bei diesen Auftritten erzielten Gagen wurden eisern gespart, um bald darauf in eine neue Verstärkeranlage und ein neues Schlagzeug Marke Ludwig investiert zu werden. Die Anschaffungskosten wurden in monatlichen Raten abgestottert.

Mitten in diesem Aufwärtstrend ließ sich eine unvorhersehbare Zäsur nicht vermeiden: zunehmende, hauptsächlich aus persönlichen Animositäten resultierende Spannungen zwischen dem Bassisten und den anderen drei Bandmitgliedern führten im April des Jahres zur Trennung. Doch schnell war der neue Bassmann gefunden: Recardo Manzke aus Munster, genannt Rico, passte mit seinem Auftreten und musikalischem Verständnis hervorragend zu den Tonacs. Er brachte frischen Wind mit, was der Band gut tat! Ab diesem Zeitpunkt kann von der Originalbesetzung sprechen, die die Gruppe bis zu ihrer Auflösung beibehielt. 

1966, Schlossfest Frankfurt-Höchst, links Rico, rechts Ringo, daneben Ingo

Im Juni des Jahres fuhren die Tonacs im Rahmen einer Initiative des Deutsch-Französischen Jugendwerks mit einer Sportlergruppe aus dem Lehrlingsheim nach Mulhouse, Frankreich, um dort bei einem Treffen aufzutreten. Das sprach sich schnell herum und plötzlich bot sich die Gelegenheit, die natürlich sofort ergriffen wurde, am nächsten Abend auf einer Beatveranstaltung „Bal du Bac“ vor französischem Publikum zu spielen.

1966, Mulhouse, Frankreich
17.06.1966, Mulhouse, Frankreich
18.06.1966, Mulhouse, Frankreich
18.06.1966, Mulhouse, Frankreich

Der Abend war ein voller Erfolg. Wir begannen mit „Hold tight“ von D. D., D. B. M. & T. und hatten sofort das Publikum auf unserer Seite. Es erschien dazu ein Zeitungsartikel (leider verschollen) und wir hatten – unserer „Blümchenkleidung“ sei Dank – den Spitznamen Les Tonacs fleurises“ weg! Der Kenner weiß: Die Hippizeit war angebrochen und Flowerpower angesagt.

25.06.1966, Heimfest in Oberliederbach

So nahm das Jahr erfolgreich seinen Fortgang. Bandleader Ty heiratete seine Uschi, einige der Tonacs verbrachten zusammen mit Freunden einen Campingurlaub in Tönning. Man behielt die regelmäßigen Übungsabende bei, konnte aufgrund zahlreicher Angebote bei der Auswahl der Auftritte etwas wählerischer sein und genoss einfach das Leben. Nicht zu Unrecht waren die Tonacs unter den 20 Spitzenbands aus dem Frankfurter Raum gelandet.  

Im Herbst des Jahres 1966 hatten die Tonacs einen Auftritt im Storyville, einem der bekanntesten Musiksclubs Frankfurts (in derStiftstraße / Brönnerstraße. Das war später in der Nachfolge auch die Adresse des Zoom Club und noch später war dort der berühmte Sinkkasten). Im Storyville – so wollte es der Zufall – kam man in Kontakt mit französischen Gästen, denen die Band ein Begriff war: hatten sie doch den Auftritt der Tonacs im Elsaß miterlebt! Schnell war man sich einig, dass dieses Ereignis einer Wiederholung bedurfte und gegen Ende des Jahres begann man, Pläne für ein Konzert zu schmieden, welches Anfang des neuen Jahres wieder in Mulhouse stattfinden sollte. Doch davon mehr im nächsten Kapitel. 

Das Storyville (Quelle: Frankfurt Postcards)
1966, Ort nicht bekannt

Das letzte gemeinsame Jahr bringt den Höhepunkt

Das neue Jahr begann so, wie das vorige geendet hatte, nämlich recht verheißungsvoll. Die Pläne für den Auftritt in Mulhouse wurden konkret und alsbald stand der 12. Februar als Termin fest Zuvor aber hatten die Tonacs im „Rettungsring“ in Mörfelden-Walldorf an einem von der Plattenfirma CBS veranstalteten Beatwettbewerb teilgenommen, bei dem sie den Ersten Preis erspielten: eine Schallplattenaufnahme! Diesen Ausblick vor Augen, wurden die Engagements in der Fastnachtszeit absolviert.

Bevor es mit der Plattenaufnahme losging, stand aber der Frankreich-Auftritt an. Unmittelbar nach der Spielzeit im „Rettungsring“ fuhr die Band nebst einem engeren Fankreis, deren Unterstützung als Roadies ebenfalls höchst willkommen war, nach Mulhouse. Die dortigen Gastgeber hatten dafür gesorgt, dass alles rund um die Veranstaltung bestens organisiert war.

Wie nicht anders zu erwarten, war die Performance ein großer Erfolg. Zum Auftakt wählten wir aus unserem Repertoire „The Rise and Fall of Flingle Bunt“ von den Shadows, bei dem nacheinander Schlagzeug, Bass, Rhythmus- und zuletzt Leadgitarre einsetzten. Großen Beifall erhielten wir für den Song „La poupée qui fait non“ von Michel Polnareff, welcher von Ingo mit viel Hingabe gesungen wurde und sehr gut beim französischen Publikum ankam. 

Weitere Engagements in der Folgezeit, oft im Gießener Raum, füllten unsere Freizeit zur Genüge aus. Fast jedes Wochenende war die Band ausgebucht, doch den Spaß an der Musik, die stets im Mittelpunkt stand, verloren die Tonacs nie. Weiterhin wurde fleißig geübt und das Repertoire vergrößert. 

Rico am Bass
Ingo (Gesang und Rhythmusgitarre)
Ringo (Schlagzeug)
Ty (Leadgitarre und Gesang)

Im April war es dann soweit. Die Aufnahmen für die Schallplatte fanden in einem Tonstudio im Frankfurter Norden statt, der genaue Ort ist dem Dunkel der Geschichte anheim gefallen. Für die A-Seite der Single hatten wir den von Ty komponierten Song „Sad“ und für die B-Seite das von Ingo geschriebene Stück „Want You“ ausgewählt. Mit den englischen Liedtexten war CBS allerdings nicht einverstanden, es wurden für die Aufnahme zwei deutsche Texte verfasst. Die Songitel lauteten daher entsprechend „Was fang ich an?“ und „Darlin'“Die Außenaufnahmen für das Plattencover entstanden in einem Abbruchviertel in Offenbach, die nicht veröffentlichten Innenaufnahmen im Studio des Fotografen.  

Die 45er Single erschien mit den deutschen Liedtexten im April 1967, wurde rund 5000 mal verkauft und war in bekannten Radiosendern wie im Hessischen Rundfunk, SWF oder Radio Luxemburg zu hören. Von den Originalversionen in englischer Sprache ist dieTonbandaufnahme erhalten geblieben.

Ein ebenfalls erwähnenswertes Ereignis dieses Jahres war ein Auftritt in Hofheim a. Ts. als Vorgruppe zu der damals sehr bekannten Band „Die Lords“. Wir hatten einen Disput mit ihnen, weil sie darauf bestanden, alleine die Bühne zu benutzen, wir und unser Equipment mussten mit dem Platz vor der Bühne vorlieb nehmen. Das hatte allerdings den Vorteil, dass wir ganz nahe beim Publikum sein konnten. Darüber hinaus stahlen wir zu unserer Genugtuung den Lords die Show mit unserer Darbietung des gerade populär gewordenen Songs „Yellow Submarine“ von den Beatles, auch bei uns vom Schlagzeuger gesungen! Später im Jahr spielten wir auch mit den allseits beliebten „Rattles“ zusammen, und zwar in sehr angenehmer Atmosphäre.  

1967, Hofhein a. Taunus, alte Stadthalle
1967, Hofhein a. Taunus, alte Stadthalle

So verging das Jahr mit weiteren Auftritten und Spaß an der Musik. Im Juli unternahm ich mit zwei Freunden eine unvergesslich schöne Reise nach London, dem Mekka der Beatmusik. Die Tonacs waren stolz auf das Erreichte, wussten aber, das die Zeit mit der Band nicht endlos weitergehen konnte. Schließlich waren wir Amateure geblieben, und das berufliche Fortkommen trat allmählich in den Vordergrund. Das Ende der Tonacs in dieser Formation zeichnete sich endgültig ab, als der drummer im Herbst seinen Einberufungsbescheid zur Bundeswehr zwecks Ableistung des Wehrdienstes ab Januar des neuen Jahres erhielt. Damals gab es noch die allgemeine Wehrpflicht.  

1967, Jahrhunderthalle Hoechst

Ende Dezember hieß es somit, Abschied zu nehmen. Auch bei den letzten Konzerten an unseren Lieblingsspielorten hatten wir bereits begonnen, uns von den Fans zu verabschieden. Ein in sehr guter Erinnerung gebliebener Abschnitt in unserem Leben, an den ich mich noch heute gerne zurück erinnere,  war zu Ende gegangen.

Zwar war damit die Ära der Tonacs, wie sie in der Frankfurter Musikszene bekannt waren, abgeschlossen. Noch nicht an ihrem Ende angelangt soll aber diese Geschichte sein, denn auch von der Zeit danach, die sich in musikalischer Hinsicht anschloss, gibt es in einem letzten Kapitel noch zu berichten!

Die Tonacs (mit Claus Maier) 1967 in Haslach i. K.
Das letzte Gruppenbild 1967 in Großen-Linden

Die Zeit nach den Tonacs

The tonacs progressive

Während der nächsten eineinhalb Jahre, die ich fernab von Frankfurt beim Bund verbrachte, blieben der Kontakt zu den drei Freunden und die Nähe zur Musik erhalten. Ich nutzte die Gelegenheit, als drummer bei einer Jazzband mitzuwirken, die sich in der Kompanie spontan gründete. Dies versprach häufige Befreiungen von lästigen Dienstpflichten! Eine Auferstehung der Tonacs mit anderen Schlagzeugern schlug fehl. Ingo startete das kurzzeitige Projekt einer Discothek namens Matchbox, Rico ging nach Hamburg zum Studium und Ty konzentrierte sich auf Familie und Beruf.  

1968 in Borken (Westfalen)

Mitte 1969 beschlossen Ingo und Ringo, , noch einmal eine Band zusammenzustellen. Zwei neue Mitspieler waren bald gefunden: Peter Pfeffer († 2021), Leadgitarre, und Jockel Strauß, Bassgitarre. Die Besetzung sollte die gleiche wie bei den Tonacs sein, auch den Namen übernahm man. erweiterte ihn aber zu The T onacs Progressive. Darin steckte die Botschaft, dass man sich im Musikstil weiterentwickelt hatte, weg vom klassischen Beat in Richtung Hardrock, gepaart mit R&B-Elementen. Die Beatles-Ära ging zu Ende, Gruppen wie Jethro Tull, Ten Years After, Deep Purple und Led Zeppelin traten in den Vordergrund. Auch Woodstock ließ grüßen.

Die Tonacs Progressive spielten bis Ende 1970 zusammen, hauptsächlich im Frankfurter Raum. Auch wenn es mittlerweile Veranstalter wie den Club 64 oder den Cavern-Club in Ffm-Höchst nicht mehr gab, war der Name Tonacs vielen Leuten aus dem Publikum noch immer ein Begriff. Dann ereilte jedoch den Leadgitarristen Peter Pfeffer das gleiche Schicksal wie zuvor den Schlagzeuger, er wurde ebenfalls zum Bund eingezogen und musste die Band verlassen. 

(Der Filmclip (8 mm-Schmalfilm) und der Tonband-Soundtrack sind unabhängig voneinander als Amateuraufnahmen aufgezeichnet worden und daher nicht synchronisierbar. Sie vermitteln aber in der Kombination einen guten Eindruck von einem Bühnenauftritt der Tonacs Progressive.) 

November

Doch guter Rat war nicht lange teuer. Mit Manfred Bimmerlein, genannt Bim, einem Vibrafonisten, der aus der Jazzrockszene kam. wurde nicht nur ein neues Mitglied, sondern auch ein neues Instrument in die Formation aufgenommen. Da dies auch zu einer Änderung des Musikstils hin in Richtung Jazzrock führte, kam die Aktion einer neuen Gründung gleich. Denn die Neuorientierung bot jetzt, in dem sie den Fokus weg von den klassischen Schemen der Beatmusik verlagerte, auch mehr Raum für Improvisationen und kreative Interpretation. Der neue Bandname orientierte sich am Gründungsmonat:  November„!

Auftritt der Gruppe November im Frankfurter Zoo-Gesellschaftshaus 1971

November war in den Jahren 1971 – 1972 mit zahlreichen Bühnenauftritten im Frankfurter und mittelhessischem Raum präsent, darunter auch auf dem Quartier Latin (der berühmten Faschingsfete der Frankfurter Uni), auf dem Rosen- und Lichterfest im Palmengarten, auf einer Konzertveranstaltung in der Jahrhunderthalle Hoechst, sowie in den bekannten Frankfurter Szenelokalen Aquarius, Sinkkasten und im Künstlerkeller. Zudem wurde die Band oft für Veranstaltungen von Tanzschulen in der Umgebung (Offenbach, Wiesbaden) engagiert. Auch ein Gastspiel im Nürnberger Jazz-Studio wurde gegeben. 

Die wöchentlichen Übungsabende fanden (seit 1969 in alter Tradition) in einem Saalbau der Hattersheimer Gaststätte „Zur Krone“ statt. Ein Tonband mit einigen hörenswerten Aufzeichnungen aus dieser Zeit ist leider verloren gegangen.   

1971, Oszillator Planet Concert, Uni Frankfurt a.M.
1971, Frankfurt-Nordweststadt
1971, Tanzschule Weiss, Offenbach
1971, Aquarius, Frankfurt a.M.

Im Herbst 1972 kam es verstärkt zu Meinungsverschiedenheiten unter den Bandmitgliedern. Die auftretenden musikalischen Differenzen ließen sich nicht mehr überbrücken. In der Folge löste sich die Formation November auf. Ein schöner, kreativer Abschnitt gemeinsamen Musizierens war bedauerlicherweise zu Ende gegangen.

rabbie burns

Zwischenzeitlich hatte sich Ty, der Leadgitarrist der ehemaligen Tonacs aus Spaß an der Freude mit Darrol Müller (Bassgitarre) und Lydia Pohl (Gesang) zu einer Popgruppe zusammengefunden, die den Namen Rabbie Burns„, dessen Bedeutung mir nicht mehr geläufig ist,  erhielt. Ein Schlagzeuger fehlte nicht mehr lange, denn Ty nahm den Kontakt zu Ringo auf, der gerne mit von der Partie sein wollte.

Der Musikstil von Rabbie Burns baute auf den musikalischen Erfahrungen der Bandmitglieder auf, blieb aber eher im mainstream und verzichtete auf experimentelle Eskapaden. Im Repertoire fanden sich daher fast ausschließlich solide, dem Publikum, welches nicht zur Avantgarde gezählt werden konnte, vertraut klingende Popsongs mit rockigem Einschlag. (Zur Illustration sei auf ‚Proud Mary‘ von CCR verwiesen.)

Die Rabbie Burns hatten nicht mehr so viele Auftritte zu verzeichnen wie die Vorläufergruppen. Dies lag zum einen daran, dass dem Wirken in der Band von den Protagonisten nicht mehr die Toppriorität beigemessen wurde, wie das bei den Tonacs oder noch bei November der Fall war, sondern  der Akzent auf ein hobbymäßiges Musizieren ohne weitere Ambitionen gesetzt wurde. Zum andern ging auch die Zeit zu Ende, in der unzählige Beatgruppen überall in der Republik jedes Wochenende ihre Bühnenshows in Clubs, Tanzsälen und Stadthallen präsentierten. Das junge Publikum zog es mehr und mehr in die Diskotheken, die überall Zulauf hatten.  

Rabbie Burns 1973, v.l.n.r. Lydia, Darrol, Ringo, Ty
1973, Hessenkolleg Rüsselsheim
1973, Hessenkolleg Rüsselsheim

Nach gut einem Jahr waren die Rabbie Burns in dieser Form denn auch bereits wieder Vergangenheit und jeder ging seiner Wege. Für Ty und Ringo, Ingo und Rico, für alle ehemaligen Tonacs waren die Zeiten, in denen sie als Mitglied einer Amateur-Rockband unterwegs waren und auf irgendwelchen Bühnen dem Publikum ihre Musik darboten, für immer zu Ende gegangen.     

Im Nachklang

1974 – 1977

Während der folgenden Jahre fanden die Mitglieder der Tonacs und gemeinsame Freunde ab und an zu verschiedenen Anlässen, wie etwa privaten Treffen oder Geburtstagsfeiern, zusammen, allerdings trafen nie mehr alle vier gemeinsam zusammen. Ringo und Ty hatten 1976 auf einer privaten Geburtstagsfeier eine kleine session, dann brach auch dieser Kontakt ab und es sollten 36 Jahre vergehen, bis sie sich wieder begegneten. 

1974, Dietzenbach, Ringo und Rico bei Ty bei einem Treffen mit den alten Freunden
1977, Frankfurt-Zeilsheim: Party zu Ringos 30. Geburtstag mit den ehemaligen Tonacs Progressive
2002

Im Jahr 2002 wurde von Bear Family Records eine CD namens Die Frankfurt Szene veröffentlicht. Darauf ist das Stück Darlin‘ (Want You) von den Tonacs zu hören – 35 Jahre nach der Erstveröffentlichung. Im Booklet ist zur Band der Text zu lesen:

THE TONACS. Nichts genaues weiß man nicht, aber sie kamen offensichtlich aus Frankfurt. Darlin‘ ist hörenswert und zeigt, daß The Tonacs wohl eine stramme Beatgroup waren.

Na, wenn das nicht als ein spätes Kompliment aufgefasst werden kann!? Der geneigte Leser dieser Geschichte weiß jedenfalls jetzt wesentlich besser über die Tonacs Bescheid.

CD Cover
CD
CD Cover
Booklet
Booklet
2012 – 2021

2012 kam es nach langer Zeit wieder zu einem Treffen zwischen Ty und Ringo. Man tauschte Erinnerungen und alte Fotos aus und veranstaltete natürlich spontan eine kleine private session.

45 Jahre nach den Tonacs!

In den Folgejahren sahen sie sich wieder häufiger und beschlossen eines Tages, gemeinsam mit zwei weiteren alten Freunden im privaten Kreis ein wenig zu musizieren. So traf man sich ein ums andere Mal. Gerold Gräff (Bassgitarre) und Roland Rost (Rhythmusgitarre) waren ebenfalls in den 1960er Jahren mit ihren Beatbands (Beatniks und Foundations) unterwegs gewesen.

Fotomontage: 1960er Jahre, v.l.n.r. Gerold Gräff (Beatniks), Erhard Thiel (Tonacs), Roland Rost († 2022) (Foundations), Manfred Gravelius (Tonacs)

Im Jahr2014 ergab sich für den Chronisten die Gelegenheit, in einer Sendung von Radio Rüsselsheim, in der es um das Jahr 1967 ging, die Schallplatte der Tonacs noch einmal im Rundfunk zu präsentieren und von den Geschehnissen rund um die  Entstehung der Band zu erzählen.

Ausschnitte aus der Radiosendung

Musikalisch beschränkten sich die vier Veteranen darauf, gern gehörte Oldies aus den 1960er Jahren mit Lust und Laune wieder aufzufrischen. Anläßlich einer privaten Gartenparty kam es 2016 zu einem kleinen improvisierten Auftritt, zu dessen Zweck sie sich ‚The Rüsselsheimer Senior Hearts Club Band‘ nannte und einen deutschen Text zu dem Song der Beatles schrieb.  

2016, v.l.n.r. Roland R. (†), Erhard T. (†), Manfred G., Gerold G.

In 2018 führten krankheitsbedingte Ausfälle leider dazu, dass sich der Musikerkreis auflösen musste. Auch Erhard erkrankte schwer und verstarb 2021 nach längerem Leiden.

Die hier verfasste Tonacs-Story ist ihm und seinem Andenken gewidmet. 

Ein letztes gemeinsames Foto zeigt Erhard und Manfred 2018 in Rüsselsheim
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