Zeltlager-Romantik
In den 1950er und 1960er Jahren waren für uns Schüler die sommerlichen Zeltlageraufenthalte üblich und beliebt. Sie waren mit Natur und Abenteuer verbunden und rochen nach Lagerfeuer, Sport und Spielen, rufen aber heute noch das Absingen von Volksliedern (was damals wohl noch als erträglich empfunden wurde) und den mittäglichen Gechirrabwasch (was damals schon als unzumutbar empfunden wurde) in Erinnerung.
1953

Der kleine Knirps (vorne zwischen den Mädels sitzend) war mit der Mutter im Mädchenzelt untergebracht, welches den Namen „Gespensterburg“ trug. Die Schulmädels kümmerten sich, ihren aufkeimenden mütterlichen Instinkten Folge leistend, liebend gerne um den Lütten, der sich natürlich wie der Hahn im Korb vorkam.
Viel lieber hätte er aber bei den Buben übernachtet, die in Zelten mit verheißungsvollen Namen wie „Haus der Banditen“ oder „Old Winnetou“ hausen durften. Dort ging abends, wenn der Vater (seines Zeichens außerdem Lehrer) noch nicht in Sicht und schon gar nicht im Zelt war, nämlich stets die Post ab!
Das morgendliche Waschen mit eiskaltem Wasser an der Waschstelle am Bach war zwar eine Angelegenheit, die es nach Möglichkeit zu vermeiden galt. Aber so oder so war das Lagerleben jedenfalls Abenteuer pur, vor allem dann, wenn Gerüchte in Umlauf waren, dass sich in der Abenddämmerung am nahen Apfelbach angeblich fremde Gestalten herumtrieben.
1959

1957 wurde das Zeltlager des Kreises, idyllisch im Wald gelegen, bei Ober-Seemen eröffnet. Als zwölfjähriger Steppke trug man (im Bild vorne links) noch immer Lederhosen und genoss das Lagerleben inmitten seiner Schulkameraden. Sogar der Rektor besuchte seine Schüler.
Der nahegelegene Badesee (Gederner See) hatte damals noch schlammige Ufer und man machte Bekanntschaft mit Blutegeln, die sich im Wasser tummelten und von uns argwöhnisch, jedoch mit einer gewissen Faszination, von den Mädels aber eher mit mittelschwerem Gruseln beäugt wurden.
Ebenfalls nicht vergessen habe ich ein eher appetithemmendes Erlebnis, als eines Tages beim Mittagessen aus meiner Salatschüssel eine quietschlebendige Schnecke empor gekrochen kam. Meine restlichen Lagertage blieben salatfrei.
1960

Wieder ein Jahr älter, wieder am gleichen Ort und in Gesellschaft der Mitschüler, sich jetzt aber schon ein bisschen „reifer“ fühlend. So war für den Fall, dass eventuell kurzfristig eine Nachtwanderung angesetzt wurde, ab einsetzender Dämmerung stets die Taschenlampen griffbereit.
Ohne die Betreuer mit der Nase darauf zu stoßen, hatten manche von uns Jungen jetzt, gut verborgen im Gepäck, ein Fahrtenmesser mitgebracht und verschwanden damit in der Freizeit gelegentlich im Wald, um sich an geeigneten Baumstämmen im Messerwerfen zu üben. Noch klammheimlicher aber war unter meinem Gürtel ein Viererpäckchen Zigaretten der Marke Bali versteckt, mit dem wir uns ebenso konspirativ zum Qualmem ins Gebüsch schlichen.
Auch in einer anderen Hinsicht waren es Ferientage, auf die ich gerne zurückgeblickt habe. Ob bei Sport, Spiel, auf Wanderungen oder am Lagerfeuer: meist suchte ich die Nähe einer Klassenkameradin, meiner damaligen „Flamme“, und fühlte mich sauwohl, dass die jungenhaften Annäherungsversuche nicht abgewiesen wurden. Schließlich hatten wir ja schon zusammen Fußball gespielt!
1961

Für unsereiner (im Bild sitzend 2. v. rechts) war es die erste „Völkerverständigung“: In dieser Ferienfreizeit trafen deutsche und englische Jugendliche zu gemeinsamen Aktivitäten zusammen. Das „Internationale Kinderferienlager“ wurde von der damaligen Konsumgenossenschaft Rhein-Main und der britischen CO-OP Partnergenossenschaft organisiert.
Wir knüpften rasch Freundschaft mit den Gästen von der Insel und waren stolz darauf, dass ihnen interessante Ausflugsziele präsentiert wurden: von Heidelberg bis zum Frankfurter Zoo und Flughafen führten die Exkursionen. Highlight war eine Schiffstour auf dem Rhein. Beliebt waren sportliche Wettkämpfe wie Fußball- oder Tischtennisturniere, bei denen wir uns gegenseitig maßen.
Natürlich warfen wir unsere Augen auf die englischen girls. Sie waren, so nahmen wir an, ja ebenso neugierig auf uns wie wir auf sie, und wir fühlten uns mit vierzehn immerhin schon im angehenden Mannesalter! (Die gleichaltrigen british boys dachten allerdings genau so wie wir …)
Wird fortgesetzt.